Das Experiment “Universe 25”: Eine utopische Mäusegesellschaft auf dem Weg zum Untergang

Das Experiment „Universe 25“ war ein berühmtes sozialpsychologisches Experiment, das der amerikanische Ethologe und Biologe John B. Calhoun im Jahr 1968 durchführte. Er wollte die Auswirkungen der Überbevölkerung auf das Verhalten von Nagetieren untersuchen. Dazu baute er einen utopischen Lebensraum für Mäuse auf, der mehrere Nistplätze und ständige Futter- und Wasserquellen enthielt. Es war eine Art Metallgehege mit Tunneln, das 2,7 Meter breit und 1,4 Meter hoch war. Die Mäuse hatten alles, was sie brauchten, außer Platz.

Calhoun führte vier Mäusepaare in den Lebensraum ein und beobachtete, wie sich die Population im Laufe der Zeit entwickelte. Er stellte fest, dass sich die Zahl der Geburten alle 55 Tage verdoppelte. Im 19. Monat nach Beginn des Experiments gab es bereits 2.200 Mäuse in dem Lebensraum². Dies war die höchste Bevölkerungszahl, die das Gehege erlaubte.

Calhoun bemerkte auch verschiedene Phänomene, die das soziale Verhalten der Mäuse beeinflussten. Es gab Hierarchien, in denen dominante Alphamännchen die Harems der Weibchen kontrollierten. Jene Mäuse, die Kämpfe mit dominanten Männchen verloren, bildeten Gruppen von „Dissidenten“. Es kam immer wieder zu Kämpfen und Auseinandersetzungen, bis die Alphamännchen aufhörten, ihre Weibchengruppen zu verteidigen.

Calhoun prägte den Begriff der Verhaltenssenke (Behavioral Sink), um den Zusammenbruch des Verhaltens zu beschreiben, der aus der Überfüllung resultierte. Er beobachtete, dass einige Mäuse sich in einer solchen Situation aus allen sozialen Interaktionen zurückzogen. Er nannte sie „Die Schönen“. Sie waren passive Individuen, die nur aßen, tranken und sich putzten. Sie zeigten kein Interesse an Fortpflanzung oder Aggression.

Das Experiment endete nach fünf Jahren mit dem Aussterben der Mäusepopulation. Obwohl die Mäuse körperlich in der Lage waren, sich fortzupflanzen, weigerten sie sich, dies zu tun. Sie zeigten auch Anzeichen von Stress, Angst und Depression. Calhoun schloss daraus, dass die Überbevölkerung zu einer Degeneration der sozialen Struktur und des individuellen Wohlbefindens führen kann.

Das Experiment „Universe 25“ wurde weltweit bekannt und löste viele Debatten aus. Einige Wissenschaftler sahen darin eine Parallele zur Zukunft der Menschheit. Andere kritisierten die Methodik und die Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Obwohl die Erkenntnisse aus Tiermodellen nicht immer auf den Menschen übertragen werden können, geben sie doch einige Denkanstöße über die Grenzen des Wachstums und die Bedeutung der sozialen Beziehungen.