Tunesien galt lange als das einzige Erfolgsbeispiel des Arabischen Frühlings, der 2011 in der Region ausgebrochen war. Nach dem Sturz des Diktators Zine El Abidine Ben Ali entwickelte sich eine neue Verfassung, ein parlamentarisches System und eine lebendige Zivilgesellschaft. Doch seit dem Sommer 2021 ist die tunesische Demokratie in Gefahr.
Der Präsident Kais Saied, der 2019 mit einem populistischen und anti-elitären Diskurs gewählt wurde, hat im Juli 2021 einen Staatsstreich durchgeführt. Er hat die Verfassung ausgesetzt, das Parlament aufgelöst, den Premierminister entlassen und sich selbst mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Er behauptet, er wolle das Land von der Korruption befreien und die Wirtschaft ankurbeln. Doch seine Gegner werfen ihm vor, er wolle eine Autokratie errichten und das Volk spalten.
Saied plant, am 25. Juli ein Verfassungsreferendum abzuhalten, das ihm noch mehr Macht geben würde. Der Entwurf sieht vor, dass der Präsident die Regierung direkt ernennt und entlässt, dass er die Richter auswählt und dass er das Parlament auflösen kann. Die Gewaltenteilung wäre praktisch abgeschafft. Viele Kritiker befürchten, dass dies das Ende der tunesischen Demokratie bedeuten könnte.
Saied lässt auch keine Opposition zu. Er hat mehrere Politiker, Journalisten und Richter verhaften lassen, die ihm kritisch gegenüberstehen. Er hetzt auch gegen Migranten und beschuldigt sie, die nationale Sicherheit zu gefährden. Er ignoriert auch die internationale Gemeinschaft, die ihn auffordert, die demokratischen Rechte zu respektieren.
Die tunesische Bevölkerung ist gespalten. Einige unterstützen Saied und glauben an seine Versprechen. Sie sind frustriert von der politischen Instabilität, der wirtschaftlichen Krise und der Corona-Pandemie, die das Land hart getroffen haben. Andere lehnen Saied ab und fordern die Wiederherstellung der Demokratie. Sie haben mehrmals gegen ihn demonstriert und sich mit Gewerkschaften und Zivilgesellschaftsorganisationen verbündet.
Die Zukunft Tunesiens ist ungewiss. Das Land steht vor einer historischen Herausforderung: Kann es seine Demokratie retten oder wird es in eine neue Diktatur zurückfallen?