Mit der Nationalgarde gegen Zelte? Trumps Plan für D.C. und die offenen Fragen

Mit der Nationalgarde gegen Zelte? Trumps Plan für D.C. und die offenen Fragen

Donald Trump kündigt an, Obdachlose aus der Innenstadt von Washington, D.C. „zu entfernen“ und „weit weg von der Hauptstadt“ unterzubringen – notfalls unter Einsatz der Nationalgarde. Das klingt nach einer klaren Ansage, lässt aber erstaunlich viele Details offen: Wer genau soll kommandieren, auf welcher Rechtsgrundlage, und was passiert mit den Menschen, die heute in Zelten an Knotenpunkten wie der K Street oder am Anacostia-Ufer leben? Stand heute (11. August 2025) wirkt vieles eher wie ein politisches Druckmittel als ein durchdeklinierter Einsatzplan.

Kern der Sache ist die besondere Stellung von D.C.: Anders als in US-Bundesstaaten untersteht die Nationalgarde der Hauptstadt direkt dem Präsidenten. Das bedeutet: Ein Einsatz wäre grundsätzlich schneller anzuordnen als etwa in Kalifornien oder Texas, wo Gouverneurinnen und Gouverneure das letzte Wort haben. „Grundsätzlich“ heißt aber nicht „grenzenlos“ – großflächiges Räumen jenseits von Bundesgelände würde sofort juristische Gegenwehr provozieren. Städtebauliche Zuständigkeiten, Eigentumsfragen, Verfahrensrechte der Betroffenen und die Abwägung von Grundrechten: all das landet in den USA sehr schnell vor Gericht, und D.C. ist darin geübt.

Politisch prallen derzeit zwei Lesarten aufeinander. Trumps Team spricht von einer Hauptstadt, die „die Kontrolle verloren“ habe, und stellt Sicherheit in den Vordergrund: weniger Zelte, mehr Ordnung, Verlagerung in bewachte Unterkünfte am Rand. Das Rathaus hält dagegen und verweist auf einen deutlichen Rückgang der Gewaltdelikte im Jahresvergleich – sinngemäß: Das Bild der „unsicheren Hauptstadt“ spiegelt nicht die aktuelle Datenlage wider. Wer recht hat? Beide beschreiben unterschiedliche Probleme: Kriminalitätsstatistik und sichtbare Armut sind nicht dasselbe, werden im Alltag aber leicht vermengt.

Und praktisch? Selbst wenn Nationalgardisten tatsächlich eingesetzt würden, lösen sie keine strukturellen Fragen: Gibt es genügend Betten – und zwar solche, die die Betroffenen akzeptieren (Haustiere, Paare, Privatsphäre, Suchttherapie, psychische Gesundheit)? Wohin mit Menschen, die Unterkünfte aus guten Gründen meiden? Städte, die Zeltlager räumen, berichten seit Jahren vom „Verdrängungs-Karussell“: Heute hier, morgen dort, übermorgen zurück. Ohne dauerhaften Wohnraum und begleitende Sozialarbeit bleibt das Muster zäh.

Rechtlich heikel wird es, sobald Räumungen pauschal und ohne Einzelfallprüfung passieren. US-Gerichte haben wiederholt klargemacht: Wer keine zumutbare Unterbringung anbieten kann, darf nicht einfach Alles-verboten-Schilder aufstellen. Darum liest man in solchen Plänen inzwischen häufiger von „Sanitation Operations“, „Encampment Closure Protocols“ und „Services First“ – Schlagworte, die signalisieren sollen: Es geht nicht nur ums Wegräumen, sondern auch um Angebote. Ob das in D.C. mehr ist als Verpackung, hängt am Kleingedruckten, das bisher fehlt.

Kurz gesagt: Ja, Trump will mit harter Hand gegen Obdachlosigkeit im Zentrum der Hauptstadt vorgehen und nimmt ausdrücklich die Nationalgarde in den Mund. Ob daraus ein tatsächlicher, rechtssicherer und wirksamer Einsatz wird, entscheidet sich an drei Fronten – juristisch (Zuständigkeiten und Verfahren), organisatorisch (Unterkünfte, Kapazitäten, Koordination) und politisch (Konflikt zwischen Weißem Haus und Stadtverwaltung). Bis konkrete Einsatzbefehle, Budgets und Standortlisten auf dem Tisch liegen, bleibt es vor allem eines: eine sehr laute Ankündigung mit vielen offenen Enden.

Mark Petersen