Tabernas – Die Wüste in Europa

Tabernas – Die Wüste in Europa

Man muss nicht bis in die Sahara oder nach Nevada reisen, um durch karge, staubige Landschaften zu streifen und den Wind durch eine verlassene Westernkulisse heulen zu hören. Auch Europa hat seine eigene Wüste – verborgen im Süden Spaniens, zwischen den Gebirgszügen der Sierra de los Filabres und der Sierra de Alhamilla: die Wüste von Tabernas.

Sie erstreckt sich über rund 280 Quadratkilometer und gilt als einzige echte Wüste des europäischen Festlands. Offiziell handelt es sich zwar um eine Halbwüste, doch mit weniger als 250 Millimetern Regen im Jahr, steinigen Ebenen, ausgedörrten Flussbetten und schroffen Felsformationen erinnert die Landschaft eher an den Wilden Westen als an das sonnige Andalusien. Im Sommer kann es hier unerträglich heiß werden – Temperaturen jenseits der 45 Grad sind keine Seltenheit – und nachts fällt das Thermometer mitunter dramatisch. Wer hier wandert, spürt schnell, dass diese Region eine Ausnahmestellung in Europa einnimmt: lebensfeindlich und faszinierend zugleich.

Doch Tabernas ist nicht nur wegen ihrer unwirtlichen Schönheit bekannt, sondern auch durch die Kamera berühmt geworden. Seit den 1950er-Jahren dient die Wüste als Kulisse für internationale Filmproduktionen. Klassiker wie Spiel mir das Lied vom Tod, Lawrence von Arabien oder Vier Fäuste für ein Halleluja entstanden hier, ebenso wie Der Schuh des Manitu und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug. In dieser Landschaft entstanden ganze Westerndörfer – künstliche Städte mit Saloons, Ställen, Sheriffbüros und staubigen Straßen –, die heute noch stehen und von Touristen besucht werden können.

Die bekannteste dieser Kulissen ist Fort Bravo, auch unter dem Namen „Texas Hollywood“ bekannt. Dort wird der Charme des klassischen Westerns bis heute gepflegt: mehrmals täglich gibt es Stuntshows, Schießereien auf der Hauptstraße und Reiter, die durch die Kulisse galoppieren, als sei Clint Eastwood nie gegangen. Fort Bravo ist heute ein Freizeitpark, eine lebendige Erinnerung an ein Filmgenre, das mit dieser Landschaft eng verbunden ist.

Ein Besuch lohnt sich besonders im Frühjahr oder Herbst, wenn die Sonne milder ist und die Landschaft in goldenen Farben leuchtet. Wer sich auf Tabernas einlässt, betritt einen Ort, der zugleich real und surreal wirkt – eine Wüste mitten in Europa, in der die Zeit manchmal stillzustehen scheint.

Mark Petersen