Kündigung nur mit Grund: Montanas Alleinstellung in den USA

Kündigung nur mit Grund: Montanas Alleinstellung in den USA

In den Vereinigten Staaten gilt ein arbeitsrechtliches Prinzip, das in Europa oft ungläubiges Kopfschütteln auslöst: „Employment at will“. Arbeitgeber dürfen dort in der Regel jederzeit, ohne Angabe von Gründen, das Arbeitsverhältnis beenden – solange keine Diskriminierung oder ein klarer Gesetzesverstoß vorliegt. Für viele Arbeitnehmer bedeutet das eine ständige Unsicherheit, selbst nach Jahren im Betrieb. Doch es gibt einen Bundesstaat, der diesen Grundsatz aufbricht und den Beschäftigten nach einer kurzen Anfangsphase einen weit stärkeren Kündigungsschutz gewährt: Montana.

Hier endet die Zeit der völligen Willkür nach einer Probezeit, die üblicherweise sechs Monate beträgt. Ab diesem Punkt greift der Wrongful Discharge from Employment Act, ein Gesetz, das seit den 1980er-Jahren festschreibt, dass Entlassungen nur noch aus triftigem Grund zulässig sind. Unternehmen müssen nachweisen, dass eine Kündigung auf nachvollziehbaren und objektiv gerechtfertigten Umständen beruht – etwa mangelhafte Arbeitsleistung, grobes Fehlverhalten oder unumgängliche betriebliche Veränderungen. Ein bloßes „Wir wollen nicht mehr“ reicht nicht.

Dieser Schutz macht Montana in der amerikanischen Arbeitslandschaft zu einer Insel der Stabilität. Während in allen anderen Bundesstaaten auch langjährige Angestellte von einem Tag auf den anderen vor verschlossenen Türen stehen können, haben Beschäftigte hier ein deutlich besseres Gefühl von Planungssicherheit. Kritiker aus Arbeitgeberkreisen sehen darin eine Einschränkung unternehmerischer Flexibilität, Befürworter dagegen ein wichtiges Korrektiv zu einer ansonsten einseitigen Machtverteilung.

Dass ausgerechnet ein dünn besiedelter, ländlich geprägter Staat mit weniger als einer Million Einwohner diesen Sonderweg beschreitet, wirkt fast paradox. Doch vielleicht liegt gerade darin der Schlüssel: Montana setzt auf langanhaltende Bindung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in einer Wirtschaft, die auf Vertrauen und langfristige Beziehungen angewiesen ist. Für viele, die den täglichen Druck des „at-will“-Systems kennen, ist dieser Gedanke beinahe revolutionär.

Wie Montana zu seiner Sonderstellung kam

Die Entstehung des Wrongful Discharge from Employment Act im Jahr 1987 war eine direkte Reaktion auf eine Welle von Arbeitsrechtsprozessen in den Jahren zuvor. Arbeitnehmer in Montana hatten begonnen, vor Gericht erfolgreich gegen willkürliche Kündigungen zu klagen – und dabei oft hohe Schadensersatzsummen zugesprochen bekommen. Unternehmen drängten darauf, die unkalkulierbare Prozessflut einzudämmen, während Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter die Gelegenheit nutzten, einen gesetzlichen Schutz vor willkürlichen Entlassungen zu verankern

Das Ergebnis war ein Kompromiss: Arbeitgeber erhielten eine klar definierte Probezeit, in der sie Beschäftigte ohne große Hürden entlassen konnten. Danach jedoch galt der Grundsatz des „just cause“ – mit eindeutigen Kriterien und einem verbindlichen Rechtsweg. Diese Balance zwischen Flexibilität und Fairness hat sich seitdem bewährt und macht Montana bis heute zu einem Sonderfall, der in Arbeitsrechtskreisen landesweit Beachtung findet.

Mark Petersen