Abschluss verpasst – wie Deutschland seine Fachkräfte von morgen verliert
In Deutschland füllt jedes Jahr eine erschreckend große Zahl von Jugendlichen statistisch gesehen ein ganzes Fußballstadion – und zwar nicht als Fans, sondern als junge Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Im vergangenen Jahr waren es rund 62.000. Das sind 38 Prozent mehr als noch vor vier Jahren. Diese Entwicklung ist nicht nur ein bedrückendes Signal für das Bildungssystem, sondern auch ein Alarmzeichen für Gesellschaft und Wirtschaft.
Besonders brisant ist, dass sich das Problem nicht auf die letzten Schuljahre beschränkt. Schon in der Grundschule verfehlen viele Kinder die grundlegenden Kompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen. Wer in jungen Jahren diese Basiskompetenzen nicht sicher beherrscht, trägt die Lücke meist durch seine gesamte Schullaufbahn. Der Schritt in die Berufsausbildung oder in weiterführende Bildung wird dann umso schwieriger.
Die Folgen reichen weit über die Biografien der Betroffenen hinaus. Jedes Jahr ohne Schulabschluss bedeutet ein weiteres Jahr, in dem Fachkräfte fehlen, obwohl sie dringend gebraucht würden. Unternehmen, die händeringend nach Nachwuchs suchen, treffen auf junge Menschen, deren Potenzial ungenutzt bleibt. Zugleich steigen die Kosten für die Sozialsysteme, weil gerade diese Jugendlichen ein höheres Risiko tragen, ohne Ausbildung oder Job zu bleiben.
Es ist also kein Randthema, das man einfach hinnehmen könnte. Wenn zehntausende Jugendliche ohne Abschluss in die Gesellschaft entlassen werden, ist das ein strukturelles Problem, das politische Konsequenzen verlangt. Eine Bildungsministerin, die Verantwortung übernehmen will, darf die Entwicklung nicht länger als bloßes Symptom betrachten. Sie müsste im Schulterschluss mit den Ländern einen Bildungsgipfel einberufen, um konkrete Strategien zu entwickeln.
Am Ende geht es um nicht weniger als die Frage, welche Chancen junge Menschen in Deutschland haben sollen. Jeder Schulabgänger ohne Abschluss ist nicht nur eine persönliche Tragödie, sondern auch ein Versäumnis der Gesellschaft. Dass diese Zahl Jahr für Jahr steigt, darf nicht zur Gewohnheit werden.
