Wenn das Feuer den Krieg frisst – Was der Einsatz thermobarischer Waffen bedeutet

Wenn das Feuer den Krieg frisst – Was der Einsatz thermobarischer Waffen bedeutet

Es klingt wie aus einem dystopischen Roman: Eine Bombe fällt, es gibt keine nukleare Explosion, keine radioaktive Strahlung – aber alles in einem weiten Umkreis stirbt. Nicht durch Splitter oder Kugeln, sondern durch eine unsichtbare Wand aus Hitze, Druck und dem plötzlichen Fehlen von Sauerstoff. Thermobarische Waffen, auch „Vakuumbomben“ genannt, existieren längst. Sie brauchen keine verbotenen Stoffe, keine atomare Technologie – und doch richten sie Verwüstungen an, die in ihrer Wirkung der eines nuklearen Angriffs nahekommen können. China besitzt sie. Russland hat sie bereits eingesetzt. Auch die USA haben sie im Arsenal. Doch was bedeutet es, wenn solche Waffen tatsächlich zur Anwendung kommen?

Aus militärischer Sicht bieten sie scheinbar eindeutige Vorteile. Sie sind extrem zerstörerisch, besonders in geschlossenen Räumen wie Tunneln, Bunkern oder urbaner Infrastruktur. Wo klassische Sprengkraft an ihre Grenzen stößt, hinterlassen diese Waffen nichts als heiße, staubige Leere. Für Generäle, die mit hartnäckigem Widerstand rechnen, sind thermobarische Waffen ein kalkulierbares Mittel – keine taktische Massenvernichtungswaffe im juristischen Sinne, aber ein drastisches Werkzeug, um Verteidigungslinien auszulöschen und psychologischen Schock auszulösen.

Doch der Preis ist hoch. Und damit ist nicht nur die Zerstörung gemeint, sondern auch das, was sie mit unserer Vorstellung von Krieg anrichtet. In einer Welt, in der das humanitäre Völkerrecht wenigstens versucht, Zivilisten zu schützen, unterscheidbar zu bleiben zwischen Kämpfenden und Nichtkämpfenden, wirkt der Einsatz thermobarischer Bomben wie eine Kapitulation. Nicht vor dem Feind – sondern vor dem Anspruch, überhaupt noch ethisch handeln zu wollen.

Die Wirkung dieser Waffen ist brutal in ihrer Lautlosigkeit. Kein atomarer Blitz, keine Nachwirkungen durch Strahlung, keine Mahnmale, keine Glaskrater wie in Hiroshima. Stattdessen ein inneres Zerreißen, verursacht durch Druck und Hitzeschock, in Sekundenschnelle. Wer sich in der Nähe befindet, überlebt meist nicht – nicht weil er kämpfte, sondern weil er war. Und das ist der Moment, in dem sich der Krieg selbst aufhebt: Wenn die Mittel der Zerstörung so umfassend und entgrenzend werden, dass sie nicht mehr gegen einen Gegner gerichtet sind, sondern gegen das Menschliche an sich.

Was bedeutet es, wenn Staaten diese Waffen einsatzbereit halten – nicht als letztes Mittel, sondern als Bestandteil regulärer Kriegsführung? Was sagt das über unsere Bereitschaft, Gewalt zu legitimieren, solange sie in eine Rakete passt oder technisch präzise wirkt? Der Mythos vom „chirurgischen“ Schlag, von der sauberen Kriegsführung, bricht unter der Realität dieser Bomben vollständig zusammen.

Der Krieg, der einmal als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln gedacht wurde, wird durch solche Waffen zur Selbstverneinung. Es geht nicht mehr um Herrschaft, nicht mehr um Einfluss – sondern um das kontrollierte Niederbrennen von allem, was nicht aufgibt. Das Feuer, das aus diesen Waffen kommt, trifft nicht nur Städte oder Stellungen. Es trifft auch den Kern unseres zivilisatorischen Anspruchs.

Mark Petersen