Wie Amerikas Malls verschwinden und was aus ihnen wird

Wie Amerikas Malls verschwinden und was aus ihnen wird

Das Ende einer Ära: Lakeside Mall macht dicht

In Sterling Heights, Michigan, wurde am 1. Juli 2024 endgültig der letzte Rollladen der Lakeside Mall heruntergezogen. Was 1976 als strahlendes Vorzeigeprojekt des amerikanischen Einzelhandels begann, verwandelte sich im Laufe der Jahre in ein Symbol des Niedergangs. Die Mall war einst ein Magnet für ganze Generationen – ein Ort, an dem nicht nur eingekauft, sondern flaniert, gegessen, geschaut und geträumt wurde. Die riesige Verkaufsfläche, die berühmten Ankerläden, das bunte Treiben – all das ist nun Geschichte. In den letzten Jahren hatte sich der Puls dieses Ortes bereits spürbar verlangsamt. Große Namen wie Sears, Lord & Taylor und Macy’s verschwanden einer nach dem anderen, kleinere Geschäfte folgten. Am Ende blieb eine leere Hülle zurück. Und mit ihr die stille Erkenntnis: Das klassische Einkaufszentrum ist ein Auslaufmodell.

Die stille Epidemie der Dead Malls

Was sich an Lakeside so deutlich vollzog, ist kein Einzelfall. In den gesamten Vereinigten Staaten verschwindet ein Einkaufszentrum nach dem anderen – oft leise, oft schleichend, aber unumkehrbar. Man spricht von Dead Malls, wenn der Leerstand so weit fortgeschritten ist, dass der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich ist. Allein im Jahr 2025 sollen über 15.000 Einzelhandelsfilialen in den USA schließen. Zahlreiche Malls stehen mit nur noch wenigen Läden da, manche bestehen nur noch aus einem übrig gebliebenen JCPenney oder einem Geisterkorridor mit Neonlicht. Das große Zeitalter der Malls, das in den 1970er-Jahren mit dem amerikanischen Vorstadtboom begann, ist damit an einem historischen Wendepunkt angekommen.

Warum die Malls sterben

Die Ursachen für das Mall-Sterben sind komplex, aber in ihrem Zusammenspiel eindeutig. Der Onlinehandel hat das Konsumverhalten revolutioniert – ein Klick genügt, wo früher ein Ausflug nötig war. Gleichzeitig hat sich die soziale Rolle der Mall verändert. Was einst Erlebnis und Versorgung vereinte, ist heute oft ein unflexibler Klotz ohne Charme. Junge Generationen zieht es in lebendige Stadtviertel, nicht auf riesige Parkplätze vor Betonbauten mit Rolltreppen. Auch ökonomische Faktoren spielen eine Rolle: steigende Betriebskosten, sinkende Margen, die Abwanderung der Marken und die zunehmende Konkurrenz durch urbanere Retail-Formate haben viele Betreiber in die Knie gezwungen. Wo ein Ankerstore verschwindet, folgt oft der nächste. Was dann bleibt, sind verlassene Gänge, verstaubte Schilder, verlassene Spielplätze im Innenbereich – stille Monumente eines untergegangenen Wirtschaftszweigs.

Was aus den leeren Hüllen wird

Doch die Geschichte endet nicht mit dem Leerstand. Immer mehr Kommunen und Investoren begreifen die sterbenden Malls als Chance. Denn auch wenn der Konsum auszieht, bleibt die Fläche – zentral gelegen, gut erreichbar, oft mit Infrastruktur, die sich für neue Zwecke nutzen lässt. So wird aus der Lakeside Mall in Michigan bis 2030 ein komplett neues Stadtquartier entstehen: ein Mix aus Wohnungen, Arbeitsplätzen, einem Hotel, Gastronomie, Parks und Fußgängerwegen. Was früher abgeschottet und konsumzentriert war, soll nun offen, vielseitig und lebensnah werden.

Auch in anderen Städten sieht man ähnliche Entwicklungen. In Cleveland wurde eine ehemalige Mall zu einem Amazon-Verteilzentrum umgebaut. Andere Standorte wurden zu Schulzentren, medizinischen Einrichtungen oder Kulturhäusern. Einige Kommunen lassen die Flächen ganz bewusst renaturieren, pflanzen Bäume, schaffen neue Parks, geben das Gelände symbolisch an die Öffentlichkeit zurück. Wo früher Kommerz regierte, könnte nun Gemeinschaft entstehen.

Nicht alle Malls sind Verlierer

Trotz des allgemeinen Abschwungs gibt es auch Gewinner – und sie sind nicht unauffällig. Premium-Malls wie die Aventura Mall in Florida, die King of Prussia Mall in Pennsylvania oder die Mall of America in Minnesota trotzen dem Trend. Sie setzen auf Luxusmarken, auf Freizeitangebote wie Erlebnisgastronomie, Kinos, Wasserparks oder sogar Skihallen. Die American Dream Mall in New Jersey hat sich ganz dem Erlebnisprinzip verschrieben und ist mehr Freizeitpark als Einkaufszentrum. In solchen Zentren geht es nicht mehr nur um das Kaufen, sondern darum, eine Zeit zu erleben – mit Freunden, mit der Familie, mit Instagram. Die Betreiber investieren viel in Ambiente, digitale Services und exklusive Events. Und es zeigt Wirkung: Die Besucherzahlen steigen wieder, die Mieten bleiben stabil, und auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten beweisen diese Malls eine erstaunliche Resilienz. Sie sind nicht die Regel – aber sie sind der Beweis, dass Malls überleben können, wenn sie sich grundlegend neu erfinden.

Ein Blick nach vorn

Das klassische Bild der amerikanischen Mall wird verschwinden – so viel ist sicher. Die Ära der klimatisierten, austauschbaren Konsumkathedralen in Vorstadtlage geht zu Ende. Doch was an ihre Stelle tritt, ist noch offen. Vielleicht erleben wir nicht das Ende der Mall, sondern ihren Übergang. Vom Monozweck zum Multifunktionsort. Vom Einkaufszentrum zum Stadtzentrum. Vom Kommerztempel zum Lebensraum.

Die Lakeside Mall ist Geschichte. Aber ihr Gelände lebt weiter – vielleicht nicht mehr mit Rolltreppenmusik und Rabattaktionen, aber mit neuem Sinn. Und vielleicht zeigt gerade dieser Wandel, dass das Ende einer Ära nicht Verlust bedeuten muss, sondern auch den Anfang von etwas Besserem markieren kann.

Mark Petersen