Warum Russland Deutschland nicht militärisch einnehmen kann

Warum Russland Deutschland nicht militärisch einnehmen kann

Die jüngsten russischen Drohnenangriffe auf Polen haben in Europa die Sorge vor einer weiteren Eskalation geschürt. Unweigerlich stellt sich die Frage: Könnte Russland, sollte es seine Angriffe ausweiten, auch Deutschland militärisch bedrohen oder gar einnehmen? Ein nüchterner Blick auf die Lage zeigt, dass dieses Szenario höchst unrealistisch ist.

Russland besitzt zwar die zahlenmäßig größte Armee Europas, doch die Realität des Krieges in der Ukraine hat deutlich gemacht, dass Masse allein nicht entscheidet. Die russischen Streitkräfte sind seit über drei Jahren in einem Abnutzungskrieg gebunden, haben enorme Verluste erlitten und kämpfen mit Nachschubproblemen. Westliche Sanktionen verschärfen die Lage: Ersatzteile fehlen, moderne Elektronik lässt sich kaum beschaffen, und die Truppenmoral ist angeschlagen.

Deutschland hingegen mag im direkten Vergleich über eine kleinere Armee verfügen, doch seine Stärke liegt woanders. Mit hochmodernen Leopard-Panzern, Luftabwehrsystemen wie Patriot und IRIS-T sowie der baldigen Einführung der F-35-Kampfjets steht die Bundeswehr technologisch auf einem hohen Niveau. Noch entscheidender ist allerdings die Tatsache, dass Deutschland nicht alleinsteht. Jeder Angriff auf deutsches Territorium wäre automatisch ein Angriff auf die NATO – und damit auf ein Bündnis, das über weit größere wirtschaftliche und militärische Ressourcen verfügt als Russland.

Ein russischer Vormarsch nach Mitteleuropa wäre schon aus logistischen Gründen kaum denkbar. Die geographische Realität zwingt Moskau, zuerst NATO-Mitglieder wie Polen oder die baltischen Staaten zu überwinden. Doch bereits hier würde Artikel 5 des NATO-Vertrags greifen, der die Beistandspflicht auslöst. In einem solchen Szenario stünde Russland nicht nur Deutschland, sondern der gesamten Allianz gegenüber – inklusive der USA, Frankreich und Großbritannien, die über eigene Atomwaffen verfügen.

Hinzu kommt die nukleare Abschreckung. Jeder russische Versuch, Deutschland einzunehmen, würde die Gefahr einer Eskalation ins Unermessliche treiben. Die Schwelle zum Einsatz von Atomwaffen würde bedrohlich nahe rücken – ein Risiko, das auch die russische Führung kaum eingehen könnte.

So bleibt die Vorstellung einer russischen Okkupation Deutschlands ein Gedankenspiel, das vor allem von Ängsten lebt. Realistisch betrachtet sind direkte militärische Angriffe auf die Bundesrepublik äußerst unwahrscheinlich. Was weit plausibler bleibt, sind hybride Bedrohungen: Cyberangriffe, Desinformationskampagnen, gezielte Versuche der Destabilisierung. Die eigentliche Gefahr für Deutschland liegt also nicht in einem Panzer, der über die Oder rollt, sondern in unsichtbaren Angriffen auf Infrastruktur, Gesellschaft und Vertrauen.

Mark Petersen