Dänemark lehrt Mitgefühl: Warum Empathie ein Schulfach ist

Dänemark lehrt Mitgefühl: Warum Empathie ein Schulfach ist

In Deutschland wird seit Jahren über überfüllte Stundenpläne, PISA-Studien und Leistungsdruck gestritten. In Dänemark dagegen hat man schon vor über 30 Jahren erkannt, dass Lernen mehr ist als Mathe, Sprachen und Naturwissenschaften. Dort gibt es ein Pflichtfach, das nicht auf Noten, sondern auf das Miteinander abzielt: Empathie.

Eine Stunde die alles verändert

Seit 1993 gehört die sogenannte Klassens tid – die „Klassenstunde“ – fest zum Lehrplan der dänischen Volksschule. Einmal pro Woche setzen sich Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 16 Jahren zusammen, um über ihre Sorgen, Konflikte und Gedanken zu sprechen. Lehrerinnen und Lehrer moderieren, aber die eigentliche Arbeit passiert zwischen den Schülerinnen und Schülern: zuhören, Verständnis zeigen, Lösungen suchen.

Wenn es gerade keine Probleme gibt, wird die Stunde nicht gestrichen, sondern genutzt, um das soziale Klima zu stärken – mit Gesprächen, Spielen oder dem berühmten dänischen Hygge-Gefühl: gemeinsam Zeit verbringen, in Ruhe und Wärme.

Ein spürbarer Erfolg

Die Wirkung lässt sich messen. In den 1990er Jahren berichteten noch fast ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler von Mobbingerfahrungen. Heute sind es weniger als sieben Prozent. Empathie-Unterricht wirkt also wie ein Schutzschild für Kinder, die sonst vielleicht am Rand stehen würden.

Zudem belegen internationale Studien immer wieder: Dänemark gehört zu den glücklichsten Ländern der Welt. Empathie als Schulfach ist sicher nicht der einzige Grund – aber es trägt dazu bei, dass schon die Jüngsten lernen, wie man mit Konflikten friedlich umgeht und Gemeinschaft pflegt.

Mehr als ein „Soft Skills“

Empathie ist nicht nur nett, sondern eine Schlüsselkompetenz. Wer zuhören kann, wer sich in andere hineinversetzt, der lernt auch, im Team zu arbeiten, Führungsverantwortung zu übernehmen und Krisen konstruktiv zu meistern. Während anderswo vor allem kognitive Leistungen zählen, setzt Dänemark auf emotionale Intelligenz – und das bereits seit drei Jahrzehnten.

Was Deutschland davon lernen könnte

Die Frage liegt nahe: Warum gibt es so etwas nicht auch hierzulande? Statt immer neue Fächer in den Plan zu pressen, könnte man bestehende Klassenstunden mit einem klaren inhaltlichen Fokus versehen. Empathie ließe sich ebenso verbindlich verankern wie Mathematik – nicht um Leistung zu messen, sondern um den sozialen Zusammenhalt zu sichern.

Vielleicht wäre es genau das, was eine Gesellschaft braucht, die in vielen Bereichen auseinanderdriftet: eine neue Generation, die gelernt hat, dass Streit nicht Feindschaft bedeuten muss, und dass Zuhören oft stärker ist als Lautstärke.

Mark Petersen