Wie Trumps neue Handelsoffensive Kanada unter Druck setzt

Der Ton zwischen Washington und Ottawa wird rauer – und das nicht nur hinter verschlossenen Türen. US-Präsident Donald Trump hat in den letzten Tagen eine Welle neuer Zölle gegen kanadische Exporte angestoßen, die nicht nur in der Regierung von Premierminister Mark Carney für Unruhe sorgt, sondern das gesamte politische Klima zwischen den beiden eng verflochtenen Ländern verändert. Es geht längst nicht mehr nur um Stahl oder Holz, sondern um die Frage: Wie unabhängig und selbstbewusst kann Kanada gegenüber einem unberechenbaren Partner im Süden auftreten?
Ein neuer Handelskrieg
Kanada sah sich bereits mehrfach mit Zolldrohungen aus Washington konfrontiert – doch diesmal ist etwas anders. Trump hat gezielt empfindliche Bereiche angegriffen und bestimmte Zölle von 25 % auf 35 % erhöht, mit der Begründung, amerikanische Industrien vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Offiziell soll es auch um Sicherheitsfragen gehen – etwa um den Kampf gegen Fentanyl-Schmuggel und dubiose Handelsrouten. Doch Experten in Ottawa werten die Maßnahmen als klar politisch motiviert: Trump will seine „America First“-Agenda sichtbar in Szene setzen, selbst wenn das auf Kosten eines jahrzehntelangen, stabilen Handelsverhältnisses mit Kanada geschieht.
Die Antwort aus Ottawa fällt bislang vorsichtig aus. Premierminister Carney, erst seit April im Amt, gerät in die Zwickmühle: Einerseits möchte er das Verhältnis zu Washington nicht noch weiter verschlechtern – andererseits wächst der innenpolitische Druck, eine entschlossenere Linie zu fahren.
Das politische Ringen um eine Antwort
In den kanadischen Provinzen wird der Ruf nach einer härteren Gangart immer lauter. Doug Ford, Premier von Ontario, fordert von der Bundesregierung, sich auf das Schlimmste vorzubereiten – einschließlich der Möglichkeit, dass Trump den gemeinsamen Handelsvertrag USMCA kündigt oder radikal neu verhandeln will. Auch Saskatchewan zeigt sich unzufrieden mit der zögerlichen Reaktion aus Ottawa. Die Debatte hat sich damit in das föderale Gefüge Kanadas hineingefressen – ein Riss, der zwischen Pragmatismus und nationaler Selbstbehauptung verläuft.
Premierminister Carney bleibt bislang auf dem Kurs diplomatischer Geduld. Er sagte öffentlich, man werde neue Gespräche mit Trump nur dann führen, „wenn es Sinn ergibt“ – ein indirektes Eingeständnis, dass derzeit keine stabile Gesprächsgrundlage besteht. Doch wie lange lässt sich diese Haltung politisch durchhalten, wenn wirtschaftlich bereits erste Bremsspuren sichtbar werden?
Märkte im Nebel, Industrie in Alarmstimmung
Während die Börse in Toronto überraschend stabil bleibt – getragen von positiven Quartalszahlen kanadischer Konzerne und steigenden Ölpreisen – ist die Grundstimmung in der Wirtschaft angespannt. In den betroffenen Industriezweigen herrscht Planungsunsicherheit. Unternehmen, die auf Exporte in die USA angewiesen sind, müssen mit höheren Kosten, verzögerten Lieferketten und unkalkulierbaren politischen Risiken rechnen. Und mit jeder Zollrunde steigt die Sorge, dass die USA ihre marktpolitische Keule nicht nur gegen China oder Mexiko schwingen – sondern auch gegen Kanada, das bisher immer als sicherer Partner galt.
Die große Frage: Was will Trump wirklich?
Für viele Beobachter in Kanada ist das alles mehr als eine wirtschaftliche Episode. Sie sehen in Trumps Zollpolitik ein geopolitisches Spiel – ein Symbol für ein Amerika, das sich auch gegenüber seinen engsten Nachbarn zunehmend auf Konfrontation statt Kooperation einlässt. Die neue Eskalation scheint Teil eines größeren Plans: Kontrolle, Dominanz, Machtdemonstration – vor allem in einem Wahljahr, in dem Trump zeigen will, dass er sich nicht von multilateralen Abkommen einschränken lässt.
Für Kanada bleibt die Herausforderung groß: Stand zu halten, ohne zu eskalieren. Aber auch: nicht in Lähmung zu verfallen. Denn mit jedem Zoll, den Washington einführt, wächst in Ottawa die Erkenntnis, dass gute Nachbarschaft allein kein verlässliches politisches Fundament mehr ist.