Wie sich westliche Firmen langsam aus China zurückziehen

Die Weltwirtschaft befindet sich im Umbruch, und China steht im Zentrum dieser tektonischen Verschiebungen. Jahrzehntelang war das Reich der Mitte die Werkbank der Welt – zuverlässig, kosteneffizient und logistisch bestens vernetzt. Doch die Zeichen mehren sich: Westliche Unternehmen setzen zunehmend auf Rückzug, Verlagerung und strategische Neuorientierung. Nicht laut, nicht überstürzt – aber mit wachsender Konsequenz.
Was sich abzeichnet, ist kein plötzlicher Exodus, sondern ein strategischer Rückzug auf Raten. Besonders in der produzierenden Industrie ist ein Umdenken spürbar. Viele Unternehmen verfolgen inzwischen eine sogenannte „China +1“-Strategie. Sie behalten Produktionsstandorte in China bei, errichten aber parallel neue Kapazitäten in Ländern wie Vietnam, Thailand, Indien oder Mexiko. Damit wollen sie sich gegen geopolitische Risiken und Handelsbarrieren absichern – etwa im Falle neuer Zölle, Exportkontrollen oder politischer Spannungen zwischen China und den USA oder Europa.
Technologiekonzerne wie Apple, Intel und HP gehören zu den Vorreitern dieser Bewegung. Zulieferer dieser Firmen errichten Werke in Südostasien, oft auf direkten Wunsch westlicher Partner. Bemerkenswert ist dabei, dass selbst chinesische Unternehmen diesen Trend unterstützen: Sie eröffnen Tochterwerke außerhalb Chinas, um weiterhin westliche Kunden beliefern zu können, ohne in politische Spannungsfelder zu geraten.
Zugleich ist ein Rückgang direkter Investitionen westlicher Firmen in China zu beobachten. Europäische Konzerne etwa zeigen sich zurückhaltender bei Expansionen. Die EU-Handelskammer in Peking registriert zunehmende Unsicherheit. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in China haben sich verschärft, die Gewinnmargen bröckeln, der Wettbewerb wird härter – nicht zuletzt durch staatlich geförderte chinesische Wettbewerber. In einigen Fällen, wie bei PVH (Mutterkonzern von Calvin Klein), wird der Rückzug auch durch politische Signale forciert: Das Unternehmen wurde auf Chinas „Unzuverlässige-Unternehmen“-Liste gesetzt – ein deutliches Warnzeichen für andere Akteure.
Doch obwohl die Skepsis wächst, bleibt China wirtschaftlich bedeutsam. Der Binnenmarkt ist riesig, die Infrastruktur konkurrenzlos, die industrielle Basis tief verzahnt. Deshalb sprechen Unternehmen nicht von Abkehr, sondern von Anpassung. Der Wandel ist eher ein Umbau als ein Ausstieg. Trotzdem verändert sich das Verhältnis zum einstigen Boommarkt grundlegend. Die Euphorie ist verflogen, die Risikobewertung schärfer.
China verliert nicht über Nacht seinen Status als Wirtschaftsmacht – aber der Westen zeigt, dass Abhängigkeit nicht mehr das Ziel ist. Die neue Devise heißt: Diversifikation statt Konzentration. Und so schreiben die Konzerne dieser Welt an einer neuen, vorsichtigeren Erfolgsgeschichte – nicht mit China, sondern neben China.