Wenn die Prognose heißer ist als der Sommer

Es klang nach einer klaren Ansage: 2025 könnte das Jahr eines neuen Jahrhundertsommers werden. Schon im Frühjahr überschlugen sich die Medien mit dramatischen Überschriften. Von einem Hitzesommer war die Rede, der alles Dagewesene übertreffen könnte – noch heißer als 2003, noch trockener als 2018. Die Wettermodelle gaben Rückenwind: sehr hohe Wahrscheinlichkeiten für überdurchschnittliche Temperaturen, kombiniert mit einem historischen Niederschlagsdefizit im Frühling, sorgten für ein Szenario, das sich nahezu unausweichlich anfühlte. Was dann kam, war… ein ruhiger, durchweg warmer, aber weitgehend unspektakulärer Sommer. Zumindest bis heute.
Die Realität, die sich im Juli über weite Teile Deutschlands zeigte, war weit entfernt von Hitzerekorden und Extremwetter. Temperaturen bewegten sich stabil zwischen 25 und 29 Grad, Hitzetage mit über 30 Grad blieben selten. Keine flächendeckende Gluthitze, keine tropischen Nächte in Serie, keine Wetterlage, die an die alarmierenden Bilder der vergangenen Sommer anknüpfte. Und doch ist dieser Sommer statistisch gesehen längst auf dem besten Weg, zu den wärmsten der vergangenen Jahrzehnte zu zählen.
Hier beginnt die eigentliche Geschichte. Denn die öffentliche Wahrnehmung des Wetters beruht auf dem Erleben: Ist es heiß, spürt man es. Schwitzt man nachts durch, bleibt es im Gedächtnis. Die Meteorologie hingegen arbeitet mit Durchschnittswerten. Sie vergleicht Temperaturen über Wochen und Monate hinweg mit Referenzzeiträumen, bildet Mittelwerte, verfolgt Anomalien. Und so entsteht ein scheinbarer Widerspruch: Ein Sommer kann ganz ohne Gluthitze auskommen – und trotzdem zu den wärmsten überhaupt zählen.
Die Medien greifen gerne zu großen Worten. Das liegt zum einen an der Natur der Berichterstattung, die Aufmerksamkeit erzeugen will. Zum anderen aber auch an der Schwierigkeit, Wahrscheinlichkeiten in alltagstaugliche Aussagen zu übersetzen. Wenn Expertinnen und Experten sagen, die Wahrscheinlichkeit für einen überdurchschnittlich warmen Sommer liegt bei 90 Prozent, klingt das nüchtern. Wenn daraus eine Schlagzeile wird, die den heißesten Sommer aller Zeiten ankündigt, entsteht eine Erwartung – und nicht selten eine spätere Enttäuschung.
Das Problem liegt nicht nur in der Übertreibung. Es liegt auch darin, dass zu viel Dramatik auf Dauer abstumpft. Wenn jedes Jahr der heißeste Sommer aller Zeiten droht, verliert der Begriff seine Wirkung. Menschen beginnen, Warnungen zu ignorieren. Vertrauen in Prognosen nimmt ab, selbst dann, wenn die langfristigen Klimatrends glasklar sind. Eine Überhitzung der Sprache kann dazu führen, dass echte Risiken nicht mehr ernst genommen werden.
Dabei geht es nicht darum, die Risiken kleinzureden. Der Klimawandel schreitet voran, und extreme Wetterereignisse nehmen in Häufigkeit und Intensität zu. Doch es braucht eine verantwortungsvolle Kommunikation – eine Sprache, die die Gefahr benennt, ohne permanent Alarm zu schlagen. Es braucht Differenzierung, Transparenz und vor allem das Eingeständnis, dass Wetter nicht in Superlativen gemessen werden kann, sondern in Erfahrung, Gefühl und Kontext.
Noch ist dieser Sommer nicht zu Ende. Es kann durchaus sein, dass der August noch einen Hitzeschub bringt. Doch selbst wenn nicht, bleibt 2025 ein Lehrstück: darüber, wie leicht sich Prognosen dramatisieren lassen, und wie schwer es ist, zwischen Klimatrend und Tageswetter zu unterscheiden.