Chinas seltene Erden und Europas Kampf um Unabhängigkeit

Chinas seltene Erden und Europas Kampf um Unabhängigkeit

Ein stiller Hebel mit globaler Wirkung

Seltene Erden sind das Rückgrat moderner Technologien – sie stecken in Smartphones, Windrädern, Elektromotoren und Rüstungssystemen. Wer diese Metalle kontrolliert, hält einen Schlüssel zur Weltwirtschaft in der Hand. China hat diese strategische Rolle früh erkannt und sich nicht nur als größter Förderer, sondern vor allem als dominierende Macht in der Weiterverarbeitung etabliert. Über 90 Prozent der weltweit veredelten Seltenen Erden stammen aus chinesischen Anlagen. Dass Peking diese Position zunehmend als geopolitisches Druckmittel einsetzt, ist längst kein Geheimnis mehr – spätestens seit im Frühjahr 2025 die Exportlizenzen für sieben zentrale Elemente verschärft wurden.

Die Folgen für Europa

Für Europa ist das eine bedrohliche Entwicklung. Ohne Zugang zu Dysprosium, Terbium oder Yttrium geraten ganze Industrien ins Wanken. Ob E-Mobilität, Luft- und Raumfahrt oder grüne Energie – die EU-Länder haben sich in den letzten Jahren in eine technologische Abhängigkeit begeben, deren Risiken jetzt offenkundig werden. Europa hat den Fehler gemacht, sich zu sehr auf globale Lieferketten zu verlassen, ohne eigene Kapazitäten für Förderung, Raffination oder Recycling entscheidend auszubauen. In dieser strukturellen Schwäche liegt das eigentliche Problem.

Politische Gegenreaktionen und erste Schritte

Die EU hat inzwischen reagiert. Mit dem Critical Raw Materials Act wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der ehrgeizige Ziele formuliert: Bis 2030 sollen mindestens zehn Prozent der benötigten kritischen Rohstoffe in der EU abgebaut, vierzig Prozent verarbeitet und ein Viertel aus Recycling gewonnen werden. Doch zwischen gesetztem Ziel und tatsächlicher Umsetzung klaffen Lücken. Projekte in Frankreich und Skandinavien zeigen zwar Potenzial, doch der Aufbau neuer Förder- und Raffinerieanlagen braucht Jahre – wenn nicht Jahrzehnte. In der Zwischenzeit bleibt Europa auf Importe angewiesen und ist damit weiterhin erpressbar.

Die USA als geostrategischer Gegenspieler

Im Gegensatz zur EU agieren die Vereinigten Staaten mit größerer Vehemenz. Washington fördert gezielt heimische Unternehmen, sichert mit staatlichen Kaufgarantien deren Expansion und strebt über das Verteidigungsministerium eine nationale Lagerhaltung kritischer Metalle an. Zudem geht die US-Regierung den diplomatischen Weg: Sie versucht, mit Australien, Japan und der EU eine Art Rohstoffallianz aufzubauen, um Chinas Macht zu brechen. Die USA betrachten den Rohstoffzugang nicht nur als wirtschaftliches, sondern als sicherheitspolitisches Thema – und setzen entsprechend große Ressourcen ein.

Ein Wettlauf mit der Zeit

Europa befindet sich nun in einem Rennen, bei dem es aufzuholen gilt – gegen Zeitverlust, gegen politische Trägheit, gegen eine jahrelang tolerierte Abhängigkeit. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob die EU fähig ist, ihre technologische Souveränität zurückzugewinnen oder weiterhin auf Chinas Wohlwollen hoffen muss. Strategische Reserven, gezielte Industriepolitik und internationale Partnerschaften sind erste wichtige Schritte. Doch entscheidend wird sein, ob Europa nicht nur reagieren, sondern endlich auch vorausschauend handeln kann. Denn die seltenen Erden sind alles andere als ein Randthema – sie sind der unsichtbare Brennstoff der Zukunft.

Mark Petersen