Warum der Staat Bargeld lieber heute als morgen loswerden würde

Warum der Staat Bargeld lieber heute als morgen loswerden würde

Es steckt in jedem Portemonnaie, raschelt in der Tasche und fühlt sich für viele nach echter Freiheit an: Bargeld. Doch während viele Bürger es als Inbegriff von Unabhängigkeit und Datenschutz schätzen, wächst auf staatlicher Seite das Interesse, das Bargeld zumindest schrittweise zu verdrängen. Warum? Weil sich damit weit mehr als nur Bezahlvorgänge beeinflussen lassen. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, wie viel Macht im Verzicht auf Scheine und Münzen steckt – und welche Gründe den Staat dazu bewegen könnten, die Abschaffung voranzutreiben.

Der unsichtbare Fiskus: Mehr Transparenz, mehr Steuereinnahmen

Bargeld ist anonym – und genau das ist aus Sicht des Staates ein Problem. Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und illegale Geschäfte leben von der Möglichkeit, Transaktionen spurlos abzuwickeln. Ohne Bargeld wären sämtliche Zahlungen digital erfasst und rückverfolgbar. Das bedeutet: weniger Schlupflöcher, mehr Steuereinnahmen und eine gerechtere Lastenverteilung. Für den Staat ein attraktives Argument – für Datenschützer ein rotes Tuch.

Die Jagd nach dem schmutzigen Geld

Nicht nur der kleine Handwerker, der „ohne Rechnung“ arbeitet, profitiert von Bargeld. Auch organisierte Kriminalität, Drogengeschäfte und Geldwäsche operieren im Schatten barer Zahlungsmittel. Ohne physisches Geld werden kriminelle Aktivitäten zumindest deutlich erschwert. Der Staat könnte dadurch seine Maßnahmen gegen Geldwäsche effizienter gestalten und dubiose Finanzströme besser erkennen.

Wirtschaft unter Kontrolle: Ein Traum der Zentralbanker

Ein weiteres, oft unterschätztes Motiv: die Steuerbarkeit der Wirtschaft. In einer Welt ohne Bargeld ließen sich geldpolitische Maßnahmen gezielter einsetzen. Beispielsweise könnten Negativzinsen bei Banken nicht mehr durch die Flucht ins Bargeld umgangen werden. Auch „Helikoptergeld“ – also direkte Geldüberweisungen an Bürger – wäre digital einfacher und schneller möglich. Die Wirtschaft ließe sich so im Krisenfall besser stimulieren oder bremsen.

Teure Tradition: Bargeld als Kostenfaktor für uns alle

Kaum jemand denkt daran, aber Bargeld verursacht erhebliche Kosten. Die Herstellung von Münzen und Scheinen, Sicherheitsmaßnahmen, Transport und Lagerung belasten nicht nur den Staatshaushalt, sondern auch Unternehmen und Banken. Eine bargeldlose Gesellschaft würde viele dieser Ausgaben überflüssig machen – was allerdings nicht automatisch heißt, dass Verbraucher davon direkt profitieren.

Digitalisierung als Nebeneffekt – oder Hauptmotiv?

In einer immer stärker digitalisierten Welt wirkt Bargeld beinahe wie ein Anachronismus. Für den Staat könnte die Abschaffung ein willkommener Katalysator sein, um Innovationen im Zahlungsverkehr voranzutreiben. Neue Technologien, Start-ups im FinTech-Bereich und effizientere Verwaltung profitieren von einem vollständig digitalen Geldkreislauf.

Ein zweischneidiges Schwert: Kontrolle vs. Freiheit

Doch so überzeugend die Argumente aus staatlicher Sicht auch klingen – für viele Bürger ist Bargeld mehr als nur ein Zahlungsmittel. Es symbolisiert Anonymität, Autonomie und ein Stück Privatsphäre. Wer nicht möchte, dass jede Bäckersemmel digital protokolliert wird, wird den Verlust von Bargeld als Eingriff in die persönliche Freiheit empfinden.

Auch gesellschaftlich wäre eine Umstellung problematisch: Ältere Menschen, Menschen ohne Zugang zu digitaler Infrastruktur oder schlicht Bargeldliebhaber würden benachteiligt – mit Folgen für soziale Teilhabe und Gerechtigkeit.

Ob der Staat das Bargeld abschaffen will, ist letztlich auch eine Frage des politischen Willens und der gesellschaftlichen Akzeptanz. Noch sind Münzen und Scheine in Deutschland beliebt und gesetzliches Zahlungsmittel. Aber der Trend ist eindeutig: Die Zahl der Bargeldtransaktionen sinkt, digitale Lösungen boomen – und der Staat schaut nicht unbeteiligt zu.

Fragt sich nur: Werden wir eines Tages wirklich in einer Welt leben, in der „ohne Moos“ alles los ist – oder in einer, in der das gute alte Bargeld ein stiller, aber bleibender Widerstand gegen die totale Kontrolle bleibt?

Mark Petersen