Alice Weidel im ARD-Sommerinterview – ein Desaster mit Folgen

Alice Weidel im ARD-Sommerinterview – ein Desaster mit Folgen

Es sollte ein Sommerinterview wie jedes andere werden. Ein offenes Gespräch im Freien, direkt am Berliner Reichstagsufer, mit Fragen zur politischen Lage, zur Rolle der AfD im Bundestag, zur Europawahl, zur innerparteilichen Strategie. Doch das Gespräch zwischen Moderator Markus Preiß und AfD-Co-Chefin Alice Weidel wurde zur akustischen Zumutung – und letztlich zum Politikum.

Noch bevor die Kameras richtig liefen, war klar: Störaktionen von Gegendemonstranten würden das Interview erheblich beeinträchtigen. Vom gegenüberliegenden Spreeufer aus übertönten Aktivisten des „Zentrums für Politische Schönheit“ mit Trillerpfeifen, Hupkonzerten, Megafonansagen und lauter Musik beinahe jedes Wort. Ein eigens dafür eingesetzter Lautsprecherwagen – ironisch mit dem Namen „Adenauer SRP+“ beschriftet – ließ das Gespräch teilweise im Lärm untergehen.

Alice Weidel gab sich zunächst standhaft, sprach von ihrer Unabhängigkeit, den politischen Gegnern und dem Vorwurf, die AfD sei demokratiefeindlich. Doch sie musste mehrfach bitten, Fragen zu wiederholen, hörte Teile des Interviews kaum noch – und beklagte sich deutlich über die Umstände: „Das ist hier eine extrem laute Situation. Ich verstehe Sie kaum.“ Der Eindruck, der blieb: Das Gespräch war weder für die Zuschauer noch für die Beteiligten zufriedenstellend. Es wirkte chaotisch, fahrig – und fast unfreiwillig symbolisch für den aktuellen Zustand der politischen Debattenkultur in Deutschland.

Die ARD räumte später ein, das Interview sei unter „wirklich schwierigen akustischen Bedingungen“ gelaufen und kündigte an, künftig besser für solche Szenarien gerüstet zu sein. Ob das Interview unter diesen Umständen hätte stattfinden sollen, steht zur Diskussion. Auch von journalistischer Seite gab es kritische Stimmen. Die FAZ sprach davon, dass das Interview „im Getöse fast untergegangen“ sei, Politico nannte es ein „Chaos-Interview“, das für alle Seiten – inklusive des Publikums – unbefriedigend verlief.

Weidel selbst forderte noch am Abend eine Wiederholung des Interviews. Auch AfD-Kollegen, unter ihnen Bundestagsabgeordneter Frohnmaier, stellten die Forderung in den Raum, das Gespräch „unter fairen Bedingungen“ nachzuholen. Unterstützung kam dabei sogar aus anderen politischen Lagern. FDP-Vize Wolfgang Kubicki mahnte, man dürfe mit Protest nicht so weit gehen, dass legitime Debatten faktisch verunmöglicht würden. Auch aus der CDU kamen ähnliche Töne: Kritik an der Art der Störung, nicht an der grundsätzlichen Möglichkeit des Protests.

Die Debatte hat damit eine größere Dimension angenommen. Es geht nicht nur um ein gestörtes Interview, sondern um die Frage, wie viel Störung Demokratie verträgt – und wo die Grenze zur Sabotage öffentlicher Debatte überschritten ist. Die ARD steht nun unter Druck, Konsequenzen zu ziehen. Und die AfD nutzt den Vorfall für ihre Darstellung als angeblich verfolgte Oppositionskraft. Am Ende bleibt der Eindruck eines verpassten Gesprächs – und der dringende Wunsch nach einem klaren, sachlichen Austausch, der wieder gehört werden kann.

Mark Petersen