NATO – Schutzmacht oder Brandstifter?

Wenn von der NATO die Rede ist, spalten sich die Reaktionen. Für die einen ist sie das stärkste Verteidigungsbündnis der Welt, ein Garant für Frieden und Stabilität. Für die anderen ist sie ein Brandbeschleuniger, ein Akteur, der mit seinen Entscheidungen selbst Konflikte schürt. Ein Blick auf ihre Geschichte und Gegenwart zeigt: Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Die NATO wurde 1949 gegründet – als Antwort auf die Bedrohung durch die Sowjetunion. Artikel 5 des Nordatlantikvertrags wurde zum Herzstück: Ein Angriff auf einen Mitgliedsstaat gilt als Angriff auf alle. Dieses Prinzip verlieh Westeuropa und Nordamerika Sicherheit, besonders während des Kalten Krieges. Tatsächlich blieb ein direkter Großkonflikt zwischen Ost und West aus. In dieser Lesart erfüllte die NATO ihre Aufgabe: abschrecken, verteidigen, Frieden wahren.
Doch die Realität war komplexer. Mit dem Ende des Kalten Krieges veränderte sich die Rolle des Bündnisses. Die NATO griff erstmals selbst militärisch ein – 1999 im Kosovo, 2001 in Afghanistan, 2011 in Libyen. Offiziell wurden diese Einsätze mit dem Schutz der Bevölkerung, mit Terrorbekämpfung oder humanitären Gründen legitimiert. Die Bilder aus den Kriegsgebieten erzählten jedoch eine andere Geschichte: zerstörte Städte, zivile Opfer, Staaten im Chaos. Kritiker werfen der NATO seitdem vor, ihre ursprüngliche Verteidigungslogik verlassen zu haben und stattdessen selbst zum Treiber von Gewalt zu werden.
Besonders umstritten ist die Osterweiterung. Länder wie Polen, Tschechien oder die baltischen Staaten sahen in einem Beitritt den einzigen Weg, dauerhaft Sicherheit zu erlangen. Für Russland dagegen wirkte die Ausdehnung wie eine Provokation, ein Vorrücken an die eigene Haustür. Während der Westen von Partnerschaft sprach, sprach Moskau von Bedrohung. Dieser Gegensatz ist bis heute ein zentraler Faktor geopolitischer Spannungen – und spielt auch im aktuellen Krieg in der Ukraine eine Rolle.
Ob die NATO also „Kriegstreiber“ ist, hängt stark vom Standpunkt ab. Wer innerhalb des Bündnisses lebt, sieht in ihr den Schutzschirm gegen Aggressionen. Wer außerhalb steht und sich durch ihre Macht bedroht fühlt, sieht sie als Brandstifter. Sicher ist nur: Die NATO ist beides – Schutzmacht und Drohkulisse, Verteidigerin und Provokateurin.
Fest steht: Ein Militärbündnis, das auf Abschreckung baut, kann nie völlig unschuldig sein. Wer Waffen trägt, schafft Sicherheit – und gleichzeitig Angst. Die NATO bleibt damit eine Organisation voller Ambivalenz: Garant für Stabilität und zugleich ein Faktor, der Spannungen nährt.