Anne Frank im Fadenkreuz: Wie Florida über das Tagebuch einer Schülerin streitet

Anne Frank im Fadenkreuz: Wie Florida über das Tagebuch einer Schülerin streitet

Auf Instagram kursieren derzeit Beiträge mit der Behauptung, Florida habe Das Tagebuch der Anne Frank verboten. Die Aufregung ist groß, doch wie so oft steckt die Realität zwischen den Fronten. Ganz falsch ist die Behauptung nicht, aber sie greift zu kurz.

Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren mehrere Schulbezirke in Florida Bücher aus ihren Bibliotheken entfernt, darunter auch Anne Franks Tagebuch oder dessen grafische Adaption. In Indian River County war es die Graphic Novel, die nach Beschwerden von Elternvertretern verschwand. In Escambia County wiederum fand sich das Originaltagebuch sogar auf der offiziellen Liste der entfernten Werke. Und im Hillsborough County verschwanden im Mai dieses Jahres über 600 Bücher, ebenfalls darunter Anne Franks Tagebuch – obwohl diese Titel gar nicht offiziell beanstandet waren.

Die Begründungen sind vielschichtig. Oft sind es vage Formulierungen neuer Bildungsgesetze, die Schulleitungen und Bibliothekare unter Druck setzen. Manche greifen vorsorglich durch und sortieren lieber aus, bevor es Konflikte gibt. Unterstützt wird dieser Kurs durch politische Initiativen, die bestimmte Inhalte für unangemessen halten – ob es sich nun um Fragen von Sexualität, Rassismus oder den Holocaust handelt.

Die Regierung in Tallahassee betont dagegen, dass Anne Franks Tagebuch keineswegs verboten sei. Gouverneur Ron DeSantis verweist darauf, dass das Buch auf der offiziellen Leseliste des Staates steht und Teil des Lehrplans bleibt. Aus seiner Sicht handelt es sich um lokale Entscheidungen, nicht um staatliche Zensur. Doch Kritiker sehen genau darin das Problem: Wenn die Verantwortung allein bei den Bezirken liegt, wächst der Raum für ideologisch motivierte Eingriffe.

Die Kontroverse zeigt, wie stark Bildung in den USA zum politischen Schlachtfeld geworden ist. Ob Anne Frank gelesen werden darf, ist längst keine pädagogische, sondern eine symbolische Frage. Für viele geht es um mehr als nur ein Buch: Es geht um die Freiheit, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, und um die Angst, dass Geschichte in der Gegenwart manipuliert wird.

Am Ende bleibt der bittere Beigeschmack, dass ausgerechnet das Tagebuch eines Mädchens, das in der Verfolgung den Glauben an Menschlichkeit nicht verlor, nun zum Spielball aktueller Machtkämpfe geworden ist.

Mark Petersen