KI wird den schwachen Journalismus fressen

KI wird den schwachen Journalismus fressen

Ein freies Land lebt nicht allein von freien Wahlen, einer funktionierenden Justiz oder der Versammlungsfreiheit. Es lebt auch – und vielleicht vor allem – von gutem Journalismus. Von einer Presse, die Missstände aufdeckt, unbequeme Fragen stellt und komplexe Zusammenhänge so erklärt, dass Bürgerinnen und Bürger fundierte Entscheidungen treffen können.

Doch dieser Anspruch gerät ins Wanken. Künstliche Intelligenz hat in rasanter Geschwindigkeit gelernt, Texte zu verfassen, die sauber formuliert, informativ und erstaunlich lesbar sind. Für Routineberichte, Eventzusammenfassungen, Sportresultate oder standardisierte Servicetexte braucht es heute keinen menschlichen Reporter mehr. Wer im Journalismus nur gefällige, risikofreie Massenware produziert, wird bald von Algorithmen ersetzt – schneller, günstiger, ohne Urlaubstage.

Gerade deshalb muss der Journalismus jetzt zeigen, was er kann, wenn er seine volle Stärke entfaltet: Unabhängig arbeiten und sich weder von politischem noch wirtschaftlichem Einfluss leiten lassen, in die Tiefe gehen und dort recherchieren, wo es weh tut, Kontext liefern, der weit über bloße Schlagzeilen hinausreicht, Persönlichkeit zeigen mit einer unverwechselbaren Stimme, einer klaren Haltung und einer erkennbaren Handschrift, sowie die Nähe zu Menschen suchen, um Vertrauen aufzubauen und exklusive Geschichten ans Licht zu bringen.

Das sind Dinge, die keine KI leisten kann. Eine Maschine kann Zahlen auswerten, Trends erkennen, Texte verdichten – aber sie hat keine eigene Glaubwürdigkeit, keine moralische Verantwortung, keine Fähigkeit, eine verschlossene Tür aufzustoßen oder jemanden in einem Gespräch aus der Reserve zu locken.

Die Gefahr ist real: Wenn Journalismus in einer bequemen Komfortzone verharrt, in der vor allem gefällige Inhalte und vorhersehbare Formate entstehen, dann wird er im Wettbewerb mit KI verlieren. Die Zukunft gehört dann den Maschinen – und die demokratische Öffentlichkeit verliert einen ihrer wichtigsten Schutzmechanismen.

Ein freies Land braucht deshalb Journalisten, die mehr sind als Content-Lieferanten. Es braucht Menschen, die unbequem sein können, die sich nicht einschüchtern lassen, die vor Ort sind, zuhören, hinterfragen, nachhaken – und damit Geschichten erzählen, die ohne sie niemals ans Licht gekommen wären.

Nur so wird der Journalismus nicht ersetzt, sondern unverzichtbar bleiben.

Mark Petersen