NATO-Szenario 2027: Bereitet sich der Westen auf einen Krieg mit Russland und China vor?

Auf einer sicherheitspolitischen Konferenz in Wiesbaden hat ein hochrangiger NATO-General für Aufsehen gesorgt. General Alexus Grynkewich, einer der führenden Kommandeure des Bündnisses in Europa, erklärte dort, dass sich die NATO ernsthaft auf das Szenario vorbereite, 2027 mit gleichzeitigen Konflikten gegen Russland und China konfrontiert zu werden. Was zunächst nach einem düsteren Zukunftsbild klingt, ist aus Sicht des Bündnisses nüchterne strategische Voraussicht.
Grynkewich betonte in seiner Rede, dass sich die Weltordnung spürbar verändere. Russland agiere zunehmend aggressiv in Europa, während China im pazifischen Raum seine militärische Präsenz ausbaue und den Anspruch auf Taiwan immer offener erhebe. In diesem Zusammenhang müsse sich die NATO fragen, ob eine gleichzeitige Bedrohung aus zwei Richtungen – eine Art globaler Doppelkrise – realistisch sei. Seine Antwort war eindeutig: Ja, und deshalb müsse man sich spätestens bis 2027 auf ein solches Szenario vorbereiten.
Der Zeitpunkt ist nicht zufällig gewählt. Sicherheitsexperten sehen das Jahr 2027 als strategisch besonders heikel. Dieses sogenannte „Davidson-Fenster“ – benannt nach einem früheren US-Admiral – beschreibt das Zeitfenster, in dem China nach Einschätzung amerikanischer Analysten militärisch bereit wäre, Taiwan mit Gewalt einzunehmen. Sollte es dazu kommen, befürchtet die NATO, dass Russland die Gunst der Stunde nutzen könnte, um Europa unter Druck zu setzen oder gar anzugreifen – während die USA im Pazifik gebunden wären.
Grynkewich spricht deshalb nicht von einem konkreten Kriegsplan, sondern von der Notwendigkeit, die eigene Einsatzbereitschaft zu verbessern. Es gehe darum, industrielle Kapazitäten auszubauen, strategische Reserven zu stärken, Truppenbewegungen zu üben und neue Bündnisse zu festigen. Die Konferenz in Wiesbaden wurde so zum Symbol für eine NATO, die sich nicht mehr nur auf Abschreckung verlässt, sondern aktiv ihre Verteidigungsfähigkeit hochfährt.
Auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte hatte sich zuvor in ähnlichem Ton geäußert. Er warnte davor, naiv zu sein: Ein Angriff Chinas auf Taiwan könnte eine Kettenreaktion auslösen, bei der auch Europa in Gefahr geraten könnte. Die Zeiten, in denen man sicher sein konnte, dass militärische Konflikte auf einzelne Regionen beschränkt bleiben, seien vorbei.
Die Aussagen aus Wiesbaden sind deshalb keine Panikmache, sondern Ausdruck wachsender strategischer Ernsthaftigkeit. Die NATO plant nicht für den Krieg – aber sie plant für die Möglichkeit eines sehr herausfordernden Jahrzehnts. Und 2027 gilt derzeit als ein Schlüsseljahr.
Was daraus folgt, ist politisch wie gesellschaftlich brisant. Die Mitgliedsstaaten werden ihre Verteidigungsetats weiter aufstocken müssen. Rüstungsproduktion, Lagerhaltung, Cybersicherheit – all das wird an Bedeutung gewinnen. Die Öffentlichkeit wird sich zunehmend mit der Frage konfrontiert sehen, wie viel Sicherheit kosten darf – und wie real die Bedrohungslage tatsächlich ist.
Fest steht: Die Konferenz in Wiesbaden hat gezeigt, dass sich die NATO nicht mehr allein auf diplomatische Hoffnung verlässt. Sie will vorbereitet sein – und sendet mit dieser Botschaft ein deutliches Signal, sowohl an ihre Mitglieder als auch an ihre potenziellen Gegner.