100.000 Dollar für ein Arbeitsvisum – Amerikas neuer Preis der Abschottung

100.000 Dollar für ein Arbeitsvisum – Amerikas neuer Preis der Abschottung

Die Nachricht schlug ein wie ein Schock: Wer künftig ein H-1B-Arbeitsvisum für die USA beantragen will, soll eine Gebühr von 100.000 Dollar entrichten. Nicht alle sind betroffen, doch allein die Zahl reicht aus, um Verunsicherung zu stiften und die Grundsatzfrage aufzuwerfen, welche Richtung die Vereinigten Staaten in ihrer Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik einschlagen wollen.

Das H-1B-Visum war lange Zeit ein Motor für den Zuzug hochqualifizierter Fachkräfte, besonders aus dem Technologiesektor. Silicon Valley ist ohne Ingenieure, IT-Spezialisten und Wissenschaftler aus aller Welt kaum vorstellbar. Wer in den vergangenen Jahrzehnten dort gearbeitet hat, weiß, wie stark die Innovationskraft der USA von dieser internationalen Vielfalt profitiert hat. Mit einer Gebühr von 100.000 Dollar wird jedoch eine Hürde errichtet, die nur noch wenige überwinden können oder wollen.

Die Folgen könnten gravierend sein. Einerseits ist der Betrag so hoch, dass selbst große Unternehmen zweimal überlegen müssen, ob sie weiterhin auf ausländische Fachkräfte setzen. Kleinere Firmen dürften praktisch ausgeschlossen sein, da sie die Kosten kaum tragen können. Damit droht ein massiver Nachteil im globalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe. Während Kanada, Europa oder auch asiatische Staaten immer offensiver um Talente werben, signalisiert Washington nun Abschreckung statt Einladung.

Andererseits erzeugt die Maßnahme politische Spannungen, insbesondere mit Partnern wie Indien, das traditionell den größten Anteil an H-1B-Visa innehat. Die dortige Regierung hat bereits scharf protestiert. Wer in Neu-Delhi oder Bangalore bislang den amerikanischen Traum als greifbar empfand, wird sich nun fragen, ob die Zukunft nicht besser anderswo liegt. Der Imageschaden für die USA ist kaum zu unterschätzen.

Noch ist offen, wie konsequent die Regelung tatsächlich umgesetzt wird, denn es gibt Ausnahmen für Fälle, die im „nationalen Interesse“ liegen. Doch gerade diese Formulierung macht das Ganze noch problematischer. Denn sie eröffnet Willkür: Welche Branche, welches Unternehmen, welcher Antragsteller fällt darunter, und wer nicht? Ein transparentes System, das Fachkräfte planbar ins Land holt, wird dadurch nicht gestärkt, sondern geschwächt.

Im Kern ist die Botschaft klar: Die Vereinigten Staaten ziehen die Zugbrücken hoch. Sie verlangen einen Preis, der symbolisch über Geld hinausgeht. Es ist der Preis der Abschottung, der signalisiert, dass Amerika nicht mehr selbstverständlich der Ort ist, an dem die besten Köpfe willkommen sind. Ob diese Politik am Ende mehr Sicherheit und Wohlstand bringt oder das Land isoliert und schwächt, wird sich erst zeigen. Doch eines ist sicher: 100.000 Dollar für ein Arbeitsvisum sind nicht nur eine Zahl, sie sind ein politisches Statement.

Mark Petersen