Amerikas flackerndes Licht – bleibt der Leuchtturm der Demokratie bestehen?

Amerikas flackerndes Licht – bleibt der Leuchtturm der Demokratie bestehen?

Der alte Mythos vom Leuchtturm

Seit ihrer Gründung inszenieren sich die Vereinigten Staaten als Beispiel für Freiheit und Demokratie. Die Verfassung, die Gewaltenteilung, die Idee, dass jeder Bürger das System mitgestaltet – all das nährte das Bild eines Landes, das der Welt Orientierung geben wollte. „A shining city upon a hill“ war mehr als eine Metapher, es war ein politisches Selbstverständnis, das sowohl nach innen als auch nach außen wirkte. Doch der Mythos hatte immer Risse. Von der Sklaverei über die Rassentrennung bis zu Interventionen in fremden Staaten zeigte sich, dass das Ideal nie ungebrochen Wirklichkeit wurde.

Polarisierung von innen

Heute scheinen diese Risse größer denn je. Die Gesellschaft ist tief gespalten, das Vertrauen in Institutionen wie Wahlen, Gerichte oder Medien bröckelt. Die politische Polarisierung lähmt den Kongress, und immer häufiger steht nicht der Kompromiss im Vordergrund, sondern der Kampf um Macht. Selbst die Grundregeln demokratischer Prozesse werden infrage gestellt. Damit wird die Frage laut: Wie belastbar sind die Pfeiler, auf denen das amerikanische Selbstverständnis ruht?

Der Blick von außen

Auch international hat das Bild vom moralischen Vorbild gelitten. Für viele Länder sind die USA längst nicht mehr die klare Orientierungsgröße, sondern ein machtpolitischer Akteur wie andere auch. Die chaotischen Jahre der Trump-Präsidentschaft haben Zweifel gesät, ob das Land überhaupt dauerhaft berechenbar bleibt. Bündnispartner schwanken zwischen enger Kooperation und vorsichtiger Distanz. Der Anspruch, die Welt im Namen der Demokratie zu führen, wirkt heute fragiler als je zuvor.

Lebendige Demokratie von unten

Gleichzeitig darf man nicht übersehen, dass gerade die Stärke der amerikanischen Demokratie immer darin lag, von unten erneuert zu werden. Bewegungen wie Black Lives Matter, Klimaproteste oder juristische Auseinandersetzungen vor unabhängigen Gerichten zeigen, dass die demokratische Energie keineswegs versiegt ist. Viele Amerikaner kämpfen entschlossen für ihre Rechte, für Gleichheit und Teilhabe. In diesem Beharren liegt eine Kraft, die nicht unterschätzt werden darf.

Ein flackerndes Licht

Die USA sind also kein erloschener Leuchtturm, aber auch kein strahlendes Vorbild mehr. Ihr Licht flackert – mal hell, mal schwach, bedroht vom Sturm der inneren Spaltungen. Ob es gelingt, die Flamme wieder zu stabilisieren, hängt weniger von großen außenpolitischen Gesten ab, sondern von der Fähigkeit, im Inneren die demokratische Kultur lebendig zu halten. Vielleicht war Amerika nie die perfekte „Stadt auf dem Hügel“, doch solange Menschen dort für Freiheit und Rechte eintreten, bleibt die Hoffnung, dass das Licht nicht verlischt.

Mark Petersen