Trumps riskantes Spiel mit der Militärmacht im Inneren

Trumps riskantes Spiel mit der Militärmacht im Inneren

Ein Präsident greift nach der Uniformmacht

Donald Trump hat erneut ein politisches Erdbeben ausgelöst. Seine jüngste Äußerung, man könne „einige gefährliche Städte als Trainingsfelder für Militär und Nationalgarde“ nutzen, hat in Washington Schockwellen ausgelöst. Gemeint sind Metropolen wie Chicago, New York oder Portland – Orte, die er seit Jahren als Symbole einer angeblich gescheiterten inneren Sicherheit darstellt. Die Vorstellung, US-Soldaten durch amerikanische Straßen marschieren zu lassen, weckt Erinnerungen an dunkle Kapitel der Geschichte – und stellt die Frage: Könnte er das tatsächlich tun?

Rechtliche Grenzen, die kaum zu übersehen sind

Das amerikanische System ist von Misstrauen gegenüber zentralisierter Macht geprägt. Der Posse Comitatus Act von 1878 wurde genau deshalb geschaffen – um zu verhindern, dass das Militär im Inland als Polizei agiert. Soldaten dürfen keine Hausdurchsuchungen durchführen, keine Verhaftungen vornehmen und keine zivile Ordnung wiederherstellen, solange kein spezielles Gesetz dies erlaubt.
Eine dieser seltenen Ausnahmen ist der Insurrection Act, ein Relikt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Er erlaubt dem Präsidenten, Truppen einzusetzen, wenn ein Staat „aufrührerisch“ handelt oder nicht in der Lage ist, Recht und Ordnung selbst zu sichern. Doch diese Schwelle ist hoch. Gouverneure müssten entweder um Hilfe bitten – oder der Präsident müsste beweisen, dass eine akute Bedrohung der nationalen Einheit besteht. Selbst in der aufgeheizten Atmosphäre von 2020, als Trump mit diesem Schritt drohte, blieb es bei Worten.

Der juristische und politische Sprengstoff

Würde Trump diesen Weg dennoch gehen, stünde er vor einer Welle juristischer Gegenwehr. Gouverneure könnten Klage erheben, Städte könnten sich weigern, mit Bundestruppen zu kooperieren. Richter würden prüfen, ob ein solcher Einsatz wirklich durch das Insurrection Act gedeckt wäre oder ob er den verfassungsmäßigen Föderalismus bricht. In den USA liegt die Polizeigewalt traditionell bei den Bundesstaaten – nicht beim Präsidenten. Ein militärischer Eingriff ohne Zustimmung wäre ein Angriff auf die föderale Struktur selbst.

Hinzu kommt der politische Preis. Bilder von Soldaten, die in amerikanischen Städten patrouillieren, wären für viele Bürger ein Schock. Die Nationalgarde wurde zwar schon oft eingesetzt – etwa bei Naturkatastrophen oder Unruhen –, doch das aktive Militär ist eine andere Dimension. Selbst konservative Offiziere und frühere Verteidigungsminister haben sich bereits distanziert. Das Pentagon weiß, dass ein solcher Befehl die Loyalität der Truppe auf eine harte Probe stellen würde.

Machtfantasie und Realität

Trumps Rhetorik speist sich aus der Vorstellung, Stärke bedeute Kontrolle. Doch das System, das er zu beherrschen glaubt, ist genau darauf ausgelegt, einen Alleingang zu verhindern. Die Armee ist dem Präsidenten zwar formal unterstellt, doch jeder Befehl muss eine rechtliche Grundlage haben. Ohne diese wäre ein Einsatz nicht nur illegal, sondern könnte im Extremfall als Machtmissbrauch gewertet werden.

Das Paradoxe daran: Gerade weil die USA eine starke Militärtradition haben, sind ihre Institutionen besonders empfindlich, wenn Soldaten im Inneren eingesetzt werden sollen. Es ist die Lehre aus der Geschichte – von der Besetzung der Südstaaten nach dem Bürgerkrieg bis zu den Protesten der 1960er-Jahre.

Der gefährliche Balanceakt

Trumps Idee, Städte zu „Trainingsfeldern“ zu erklären, mag aus seiner Sicht ein Zeichen der Stärke sein, doch sie stößt auf ein System, das darauf programmiert ist, genau solche Machtkonzentrationen zu verhindern. Selbst wenn er Präsident bleibt oder wiedergewählt wird – der Weg, Soldaten gegen Amerikaner einzusetzen, ist mit rechtlichen, politischen und moralischen Minen gespickt. Er kann den Befehl geben. Aber ob jemand ihm folgt, ist eine andere Frage.

Mark Petersen