Zucker und Krebs: Mythen, Fakten und was die Forschung wirklich sagt
Kaum ein Thema im Bereich Ernährung und Gesundheit ist so emotional aufgeladen wie die Frage nach Zucker und Krebs. Immer wieder liest man den Ratschlag, Zucker komplett wegzulassen, um Krebs zu bekämpfen oder gar zu heilen. Was auf den ersten Blick logisch klingt – schließlich „lieben“ Krebszellen Zucker – erweist sich bei genauerem Hinsehen als deutlich komplexer.
Krebszellen haben tatsächlich einen hohen Energiebedarf und nutzen Glukose als bevorzugte Energiequelle. Dieses Prinzip macht sich die moderne Medizin sogar zunutze: Bei einer PET-CT-Untersuchung wird eine zuckerähnliche Substanz verabreicht, die sich in besonders aktiven Tumorzellen anreichert und diese sichtbar macht. Daraus entstand der Gedanke, man könne Tumoren aushungern, indem man selbst keinen Zucker mehr zu sich nimmt. Doch der menschliche Stoffwechsel funktioniert anders. Selbst wenn man auf Zucker verzichtet, sorgt die Leber dafür, dass über den Abbau von Kohlenhydraten, Fetten oder Eiweißen weiterhin Glukose im Blut verfügbar bleibt. Gesunde Zellen sind genauso auf diese Energiequelle angewiesen wie Krebszellen, und der Körper stellt sicher, dass ein Mindestmaß an Zucker immer vorhanden ist.
Das heißt jedoch nicht, dass Zucker für Krebspatienten harmlos ist. Hoher Zuckerkonsum kann Übergewicht und Insulinresistenz fördern, und beides gilt als Risikofaktor für die Entstehung und das Fortschreiten bestimmter Krebsarten. Studien weisen darauf hin, dass chronisch erhöhte Insulinspiegel und Entzündungsprozesse im Körper Tumorwachstum begünstigen können. Der Zusammenhang ist also eher indirekt: Es ist nicht der Zucker selbst, der Krebs verursacht oder antreibt, sondern die Stoffwechselstörungen, die durch zu viel Zucker und Kalorien entstehen.
In der Forschung werden aktuell auch spezielle Ernährungsformen untersucht, etwa die ketogene Ernährung mit sehr wenig Kohlenhydraten. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Tumoren möglicherweise empfindlich auf ein solches „Stoffwechselmilieu“ reagieren. Doch bislang fehlen klare Beweise, um eine generelle Empfehlung für Krebspatienten auszusprechen. Auch Fastenmethoden werden geprüft, weil sie den Stoffwechsel vorübergehend verändern und möglicherweise die Wirksamkeit von Therapien verbessern können.
Medizinische Fachgesellschaften sind sich dagegen einig: Es geht nicht darum, Zucker radikal zu verbannen, sondern ihn zu reduzieren und auf eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung zu achten. Viel Gemüse, Vollkornprodukte, gesunde Fette und ausreichend Eiweiß stärken den Körper, helfen Nebenwirkungen von Therapien besser zu verkraften und verbessern die allgemeine Prognose.
Die einfache Formel „Zucker fördert Krebs, also lass ihn weg und der Tumor verschwindet“ greift also viel zu kurz. Richtig ist, dass ein bewusster Umgang mit Zucker wichtig ist – nicht nur für Krebspatienten, sondern für alle. Doch eine Krebserkrankung lässt sich nicht durch Zuckerentzug heilen. Der Schlüssel liegt vielmehr in einem ganzheitlichen Ansatz: ausgewogene Ernährung, medizinische Therapie und ein gesunder Lebensstil, der den Körper stärkt und ihm die bestmöglichen Chancen im Kampf gegen die Krankheit gibt.
