Wie ICE die USA in einen Unrechtsstaat verwandelt
Seit Donald Trump wieder Präsident ist, weht in den Vereinigten Staaten ein anderer Wind. Härter. Kälter. Er trifft vor allem jene, die keine Stimme haben: Migrantinnen, Familien ohne Papiere, langjährige Bewohner ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. ICE, die Bundesbehörde für Einwanderungsdurchsetzung, ist erneut das Werkzeug dieser Politik. Aber diesmal geschieht mehr als nur ein politischer Kurswechsel. Es vollzieht sich eine schleichende Erosion des Rechts. Und wer genau hinsieht, erkennt: Hier wird nicht nur das Gesetz durchgesetzt. Es wird gebrochen. Systematisch. Und absichtlich.
Die Behörden schreiten nicht mehr nur an der Grenze ein, sondern mitten in amerikanischen Städten. In Wohnvierteln, auf Supermarktparkplätzen, an Schulen. Menschen werden mit Gewalt aus ihrem Alltag gerissen – oft ohne Haftbefehl, ohne faires Verfahren, ohne jede Form von Transparenz. Beamte dringen in Wohnungen ein, geben sich nicht zu erkennen, operieren in militärischer Kleidung, vermummt, bewaffnet. Nicht selten wird später klar: Die Betroffenen hatten nicht einmal eine gültige Abschiebeanordnung. Die Festnahme erfolgte „auf Verdacht“. Ein Verdacht, der oft nur auf Hautfarbe, Sprache oder Aufenthaltsort basiert.
Was früher als Einzelfall galt, ist längst zur Struktur geworden. Und genau an diesem Punkt wird die Frage unausweichlich: Wann wird ein Staat zum Unrechtsstaat? Nicht dann, wenn ein Gesetz einmal missachtet wird. Sondern dann, wenn der Gesetzesbruch zur Routine wird. Wenn staatliche Gewalt sich über Rechte hinwegsetzt. Wenn Gerichte nicht mehr eingreifen oder bewusst weggucken. Und wenn die Gesellschaft schweigt, weil es die Falschen trifft.
Die Vereinigten Staaten sind nicht mehr nur ein Land mit einem harten Kurs. Sie sind für viele längst zu einem Ort geworden, in dem der Staat selbst zur Bedrohung wurde. Für Migranten bedeutet die Präsenz von ICE nicht Schutz, sondern Angst. Für ihre Kinder bedeutet jeder Schultag das Risiko, allein nach Hause zurückzukehren. Für Familien bedeutet ein Türklopfen in der Nacht, dass am Morgen nichts mehr ist wie zuvor.
Dabei berufen sich jene, die diese Gewalt ausüben, auf das Gesetz. Doch das Gesetz wird hier zur Ausrede, nicht zur Grundlage. Es wird benutzt, um Rechte zu untergraben, statt sie zu schützen. Und wenn Recht zur Waffe wird, verliert es seinen moralischen Kern. Dann dient es nicht mehr der Gerechtigkeit, sondern der Einschüchterung. Dann ist es kein Recht mehr, sondern bloß Macht im falschen Gewand.
Wer jetzt noch an der Vorstellung festhält, es handle sich dabei um einen Ausrutscher im System, verkennt die Realität. Es ist das System selbst, das sich verändert hat. Ein Staat, der Menschen auf unrechtmäßige Weise ihrer Freiheit beraubt, der Familien trennt, Kinder ohne Begleitung einsperrt und sich dabei auf seine eigenen Gesetze beruft, hat die Schwelle überschritten. Die Vereinigten Staaten, wie sie sich selbst gerne sehen, gibt es für viele längst nicht mehr.
Was bleibt, ist ein Bild, das sich nicht mehr schönreden lässt. Ein Staat, der nach außen Freiheit verspricht, im Innern aber das Recht selektiv anwendet und gezielt missachtet, hat seinen rechtsstaatlichen Anspruch verspielt. Die USA sind für Millionen Menschen kein sicherer Ort mehr. Und dort, wo das Recht nicht mehr für alle gilt, beginnt das Unrecht. Nicht in der Theorie, sondern im gelebten Alltag. In der Angst. Im Schweigen. Und in der Gewalt, die nicht von Kriminellen ausgeht – sondern vom Staat selbst.
