Trumps Worte, Putins Bomben: Wenn Schuldzuweisung die Realität verdreht

Trumps Worte, Putins Bomben: Wenn Schuldzuweisung die Realität verdreht

Die Ukraine steht erneut unter schwerem Beschuss. Mehr als 400 Drohnen und 40 Raketen trafen Kiew, Charkiw und andere Städte. Es ist einer der massivsten russischen Angriffe seit Beginn des Krieges. Und ausgerechnet jetzt meldet sich Donald Trump zu Wort – mit einer Aussage, die weltweit für Stirnrunzeln sorgt. Die Ukraine, so der frühere US-Präsident, habe Russland einen „Grund“ für die Bombardierung geliefert.

Trumps Bezugspunkt: eine erfolgreiche ukrainische Operation mit dem Codenamen „Spinnennetz“, bei der dutzende russische Langstreckenbomber zerstört wurden. Dass Russland daraufhin zivile Ziele angreift, erscheint für Trump offenbar nachvollziehbar. Seine Worte wirken wie ein Freifahrtschein für Putins Eskalation – oder zumindest wie ein Versuch, beide Seiten auf dieselbe moralische Ebene zu stellen.

Doch genau das ist der Punkt, an dem viele Beobachter, Historiker und Therapeuten gleichermaßen Alarm schlagen. Denn eine solche Sichtweise verdreht Ursache und Wirkung. Sie lässt außer Acht, dass die Ukraine sich seit über zwei Jahren gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verteidigt. Dass der russische Präsident gezielt zivile Infrastruktur zerstören lässt, Krankenhäuser, Wohnhäuser, Energiezentralen. Dass die Ukraine nicht angreift, sondern sich wehrt.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat Trumps Aussage mit klaren Worten zurückgewiesen. Putin sei ein Mörder, der den Tod und das Leid bewusst einkalkuliere. Der Versuch, den Krieg als Auseinandersetzung zwischen zwei gleichermaßen störrischen Seiten darzustellen – Trump sprach sogar von „zwei kleinen Kindern auf einem Spielplatz“ – werde der Realität nicht gerecht. Und es ist mehr als das: Es ist gefährlich.

Denn Sprache prägt Wahrnehmung. Wenn ein ehemaliger US-Präsident in einer so zentralen Frage derart relativierend spricht, hat das Folgen. Für die politische Debatte in den USA. Für die internationale Unterstützung der Ukraine. Und nicht zuletzt für das Selbstverständnis westlicher Demokratien, die sich eigentlich einig waren: Angriffskriege sind nicht zu rechtfertigen.

Dass Trump Putin später als „verrückt“ bezeichnete und sich gegen die Angriffe aussprach, ändert wenig an der Botschaft seines ursprünglichen Kommentars. Sie reiht sich ein in eine Rhetorik, die nicht auf Klarheit, sondern auf Vernebelung setzt. Die statt Verantwortung zu benennen, in Schuldverlagerung denkt. Eine Rhetorik, die nicht zum Frieden führt, sondern ihn gefährdet – weil sie das Opfer zur Provokation erklärt und den Täter zur Reaktion zwingt.

In Zeiten wie diesen ist es entscheidend, die Dinge beim Namen zu nennen. Die Bomben, die Kiew trafen, wurden nicht aus Versehen abgeworfen. Und sie waren auch keine logische Folge einer militärischen Aktion. Sie sind Teil einer Strategie der Einschüchterung, der systematischen Zerstörung, des Bruchs mit internationalem Recht. Das zu benennen ist keine Parteinahme – es ist die Wahrung der Realität.

Mark Petersen